Wahlwerbung zur Bundestagswahl 2025
Wahlwerbespots sind ein perfektes Beispiel für strategische Videokommunikation: In wenigen Sekunden oder Minuten müssen sie eine Botschaft transportieren, Emotionen wecken und das Vertrauen der Zielgruppe gewinnen. Dabei kommen gezielte filmische Mittel wie Storytelling, Bildsprache und Musikeinsatz zum Tragen – ähnlich wie bei Imagefilmen oder Werbespots von Unternehmen. Doch was macht einen Wahlspot erfolgreich? Welche Techniken nutzen Parteien, um ihre Botschaften überzeugend zu inszenieren? Dazu schauen werfen wir einen Blick auf die Wahlspots zur kommenden Bundestagswahl.
Inhaltsverzeichnis
CDU: Deutschland, was ist los mit dir?
Inhaltlicher Fokus: Inhaltlich setzt der Wahlspot der CDU auf die Wirkung Deutschlands nach außen. Im ersten Teil werden die Probleme des Landes durch einen Kommentar aus dem Off 1eher zurückhaltend angesprochen, ab etwa einem Drittel geht es dann um die Frage: “Wie wäre es also, wenn wir das gute an dir wieder besser machen?” Die Werbung besteht aus einer Vielzahl an verschieden Aufnahmen, die den Kommentar bildlich stützen.
Umsetzung: Ich finde das Video an manchen Stellen etwas überladen, was aber auch an den vielen Themen liegt. Der ruhige weibliche Off-Kommentar ist beschreibend und zuversichtlich gehalten, was der Wahl-Werbung einen seriösen Touch verleiht. Die Programmpunkte werden durch Kontraste zwischen dem Gesprochenen und der Bildebene spannend aber auch positiv beschrieben. Friedrich Merz spricht nur kurz am Ende, ist aber dazwischen immer wieder zu sehen. Das sorgt dafür, dass erst ab etwa 30 Sekunden ein klarer Bezug zur CDU ersichtlich wird.
Das fällt auf: Der CDU-Spot ist der einzige in der Liste, bei dem die Kommentare auf YouTube deaktiviert wurden.
SPD: Olaf Scholz sorgt für mehr
Inhaltlicher Fokus: Im offiziellen Wahl-Werbespot der SPD kommen die Bürgerinnen und Bürger zu Wort. Wir sehen Personen verschiedenen Alters und Herkunft, die in einem Art Interview erklären, warum sie die SPD wählen. Der Inhalt wird dabei nur durch das Interview transportiert und es gibt keine weiteren Schnittbilder. Am Ende sehen wir Olaf Scholz, der genau diese Themen verspricht. Auffällig hier: Es wird im Video vor allem von der Wahl für Olaf Scholz gesprochen und kaum von der SPD an sich.
Umsetzung: Da verschiedene Personen “ihre” Themen ansprechen, wirkt der Clip glaubwürdig und erinnert an ein Testamonial-Video2. Verstärkt wird das durch Einblicke hinter die Kulissen, indem man die Technik und den Aufnahmeort sieht.
Das fällt auf: Die SPD-Werbung nutzt als, anders als die anderen Werbeclips, fest eingebundene Untertitel. In den sozialen Medien können die Nutzer in der Regel aber selbst die Untertitel an und abschalten.
Grüne: Robert Habeck gibt ein uns sein Wort
Inhaltlicher Fokus: Fröhliche Menschen, Zusammenhalt und Zuversicht. Der Clip von Bündnis 90 / Die Grünen ist ein recht klassischer Werbespot, der die Themen mit einer positiven Off-Stimme und lachenden Gesichtern behandelt. Dazwischen werden immer wieder die Wahlthemen als große Schlagwörter eingeblendet. Am Ende sehen wir Robert Habeck, der verspricht Deutschland mit aller Kraft durch die Krisen zu steuern. Das Video setzt daher zentral auf Glaubwürdigkeit. Dazu passt auch die Aussage “Ich verspreche Ihnen nicht, dass plötzlich alles gut wird”
Umsetzung: Die positiven Bilder und lachenden Personen zu Beginn berühren emotional. Auf mich wirkt das Video teilweise aber zu sehr nach klassischer Werbung, gegenüber der ich schon recht abgestumpft bin. Daran kann auch der extra für den Wahlkampf geschriebene Song vom Bassisten der Band “Wir sind Helden” nichts ändern, obwohl der wirklich gut passt und die Botschaft verstärkt. Im Spot wird zudem oft von “einem Wort” gesprochen, gleichzeitig aber werden viele Schlagworte eingeblendet. Das wirkt auf mich teilweise verwirrend und klärt sich erst am Ende des Spots.
Das fällt auf: Die Szene am Ende erinnert an die “Küchengespräche” und der Clip schafft so einen Wiedererkennungswert.
FDP: Christian Lindner will alles ändern
Inhaltlicher Fokus: Der Spot beginnt in der Vergangenheit und Christian Lindner zeigt im Laufe des Videos wichtige deutsche Ereignisse im Stile von: “Haben alle gemeint, bis es sich geändert hat.” Der Werbespot ist stark auf Christin Lindener fokussiert, der auch selbst den Kommentar spricht. Inhaltlich setzte die Werbung auf die Veränderung.
Umsetzung: Ein moderner Werbespot mit dynamischen Videoschnitt und Effekten. Die schnelle Schnitte, animierte Grafiken und ein passendes Sounddesign sorgen für einen kurzweiligen Spot, der mit der letzten Jahreszahl 2025 sogar etwas überrascht. Der Strobe-Effekt 3am Ende rüttelt wach.
Das fällt auf: Die FDP-Werbung hat mit großem Abstand am meisten Aufrufe. Aktuell sind es etwa 1,6 Millionen.
AfD: Alice Weidel geht wandern
Inhaltlicher Fokus: Alice Weidel nimmt im Spot für die AfD eine zentrale Rolle ein. Wir sehen Sie beim Wandern durch eine schneebedeckte Landschaft, bis sie am Gipfel ankommt. Das verdeutlicht die Reise zum Ziel, die auch beschwerlich sein kann. Währenddessen spricht sie selbst aus dem Off den Amtseid.
Umsetzung: Der Spot besteht aus hochwertigen Bildern und einem guten Sounddesign. Wie auch die CDU-Werbung ist das Video im Breitbild-Format gestaltet und sorgt somit zusätzlich für “Kinofeeling”. Spannung wird erzeugt, indem zu Beginn der Wahlwerbung Alice Weidel nicht direkt erkennbar ist, sie am Ende aber den Zuschauer direkt anspricht. Eine direkte Aufforderung zur Wahl gibt es nicht, wobei dies durch den Amtseid indirekt klar vermittelt wird.
Das fällt auf: Der Spot erinnert durch die Bilder an einen klassischen Werbespot. Auch in den YouTube Kommentaren wird gefragt: “Für welches Bier wird hier geworben?” oder “Werbung für Decathlon ? oder was soll der wanderquatsch?”
Die Linke: Es geht um die Wurst
Inhaltlicher Fokus: Wir folgen dem Parteivorsitzenden Jan van Aken und der Abgeordneten Heidi Reichinnek durch eine deutsche Großstadt. Dabei kritisieren sie zu Beginn die Politik der vergangenen Jahre, gegen Ende werden die bekannten Positionen der Linken angesprochen. Dazwischen sehen wir Gregor Gysi, der einen Umzug verhindert und Bodo Ramelow beim Würstchen grillen.
Umsetzung: Ein dynamischer Clip mit ständiger Bewegung, indem die beiden Protagonisten in langen Kamerafahrten begleitet werden. Das erzeugt ein Art Aufbruchsgefühlt sowie einen roten Faden mit einer einfachen Rahmenhandlung. Unterbrochen wird die Bewegung durch Situationen wie dem Umzug, bei dem auch gleich mit angepackt wird. Das erzeugt Bürgernähe und Verständnis für die Probleme.
Das fällt auf: Die Würstchen-Szene mit Bodo Ramelow finde ich gelungen und wird auch auf YouTube verstärkt wiederholt (zu erkennen am Ausschlag über Zeitleiste des Videoplayers).
BSW: Unser Land verdient mehr
Inhaltlicher Fokus: Wie auch beim Parteinamen steht Sarah Wagenknecht im Fokus des Wahlspots. Sie führt auf, welche Probleme Deutschland hat und fordert einen Neuanfang. Dabei kritisiert sie deutlich die aktuelle Regierung und verknüpft das mit ihren Vorstellungen für Deutschland.
Umsetzung: Der Clip setzt voll auf Sarah Wagenknecht, die auch selbst spricht. Der Kommentar wir dabei mit animierte Grafiken und wenigen Filmaufnahmen gestützt. Insgesamt ein eher einfacher Clip im Stile eines Erklärvideos, der durch die Machart und die Musik aber dennoch eine Dynamik entfalten kann. Dazu tragen auch die wenigen Videoclips in Zeitraffer bei.
Das fällt auf: Trotz Veröffentlichung vor über einem Monat, hat das Video nur etwas über 11.000 Aufrufe.
Was können wir aus der Wahl-Werbung für die Videokommunikation lernen?
Eine ganze Menge. Wahlwerbung nutzt oft filmische Mittel wie Storytelling, Bildsprache und Inszenierung, was grundsätzlich für alle Videoinhalte von Bedeutung ist. Zudem stehen die Wahlspots in direkter Konkurrenz zueinander und durch ähnliche Rahmenbedingungen lassen sich die Konzepte und Umsetzungen gut miteinander vergleichen. Das sieht man auch an den gezeigten Wahl-Spots. Diese unterscheiden sich in ihren Schwerpunkten und der Machart deutlich voneinander.
Alle Parteien setzen die Videos zur Wahl in den größeren Kontext der ganzen Wahlkampagne. Das ist bei einer Bundestagswahl sicherlich völlig normal, aber daraus kann auch viel für die Unternehmenskommunikation gelernt werden. Denn gerade hier sieht man oft genau das Gegenteil: Ein Video wird aufwendig produziert und Anschluss kann es mit wenigen Aufrufen auf dem YouTube Kanal die Möglichkeiten nicht nutzen. Videos sollten, zumindest in der Werbung, in einen größeren Kontext eingebunden werden. Das muss keine große Werbekampagne sein, schon ein einfacher Blog-Beitrag oder passende Social-Media-Inhalte helfen. Die Partei-Spots bzw. deren Elemente finden wir in abgewandelter Form auch meist auch auf Wahlplakaten, den jeweiligen Webseiten oder Social-Media. Die Grafiken, Gestaltung oder sogar Personen (wie bei der SPD) werden zusätzlich in anderen Medien verwendet, was einen großen Wiedererkennungswert schafft.
Videos können uns emotional berühren
Videos bestehen aus dem Bild, dem Audio und der Handlung. Kaum ein Medium kann daher so gut Emotionen beim Zuschauer erzeugen. Gut gemachte Werbung kann uns berühren, beruhigen oder auch Wut erzeugen. Zudem können die Inhalte sachlich, glaubwürdig oder nahbar transportiert werden. Diese Facetten sehen wir alle in den diesjährigen Wahlwerbung. Es ist recht gut erkennbar, welche Emotionen die einzelnen Clips hervorrufen sollen.
Es ist wichtig zu verstehen, wie Wahlwerbung funktioniert, um die tatsächlichen Hintergrunde erkennen und einordnen zu können. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Medium ist zielführender als eine oberflächliche Betrachtung.
Fußnoten
- Ein Off-Kommentar (auch als Voice-over bezeichnet) ist ein Kommentar, der im Hintergrund eines Videos gesprochen wird, ohne dass der Sprecher sichtbar ist. ↩︎
- Ein Testimonial-Video ist ein Video, in dem zufriedene Kunden oder Nutzer ihre positiven Erfahrungen mit einem Produkt, einer Dienstleistung oder einem Unternehmen teilen. Diese Art von Video dient als soziales Vertrauenselement und hilft potenziellen Kunden, eine Kaufentscheidung zu treffen. ↩︎
- Der Strobe-Effekt ist ein visueller Effekt, der durch schnelle, regelmäßige Lichtblitze oder Unterbrechungen in der Beleuchtung entsteht. ↩︎
Hinweis: Ich werte in diesem Beitrag nicht den politischen Inhalt und konzentriere mich auf die Beschreibung und Wirkung der Videos. Persönliche Meinungen beziehen sich daher nur auf die Videos an sich. Das Artikel-Bild ist zusammengesetzt aus den Thumbnails der einzelnen Videos.
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