
KI-Inhalte: Ist Kreativität ein Auslaufmodell?
Dieser Artikel wurde zuletzt am 9. Dezember 2025 aktualisiert.
Als der Newsletter eines professionellen Sprechers in meinem Postfach aufpoppte, schenkte ich der Nachricht zuerst kaum Aufmerksamkeit – bis ich den fett geschriebenen Absatz ziemlich am Anfang der E-Mail las: „Dieses Jahr war herausfordernd – und es wird das letzte sein, das ich als hauptberuflicher Sprecher begonnen habe.“ Die Gründe hierfür waren „die Veränderungen im Markt, die Entwicklung rund um KI und die wirtschaftliche Gesamtsituation“.
Als ich „Entwicklungen rund um KI“ las, stoppte ich. Die Nachricht war wieder ein aktuelles Beispiel, wie die Technologie derzeit die Filmproduktion und kreative Berufe verändert. Seit einigen Monaten setzte ich mich intensiv damit auseinander und schwanke meist zwischen beeindruckt und beängstigt. Diese E-Mail beschäftigte mich daher auch einige Tage später noch. Es war für mich eine Art Weckruf, ein weiteres Puzzleteil.
Inhaltsverzeichnis
Wie gehen wir als Gesellschaft mit KI-Inhalten um?
Manch einen mag diese Fragestellung von einem Filmproduzenten wie mich erstaunen. Warum sorge ich mich um die Gesellschaft und nicht um meine eigene berufliche Zukunft? Nun, ich mache beides, sehe aber den Umgang der Gesellschaft als wesentlich bedeutender an. Wir befinden uns aktuell an einem Punkt, an dem wir alle gemeinsam die Zukunft der menschlichen Kreativität definieren müssen. Ich selbst bin darin nur ein kleiner Baustein und ich bin überzeugt, dass Filme weiterhin einen Platz haben, auch wenn sie vielleicht zukünftig anders produziert werden.
Der Kern liegt aber tiefer: Ist Kreativität in Zukunft überhaupt noch wichtig? Oder anders gefragt: Genügt uns Mittelmaß? Denn KI-Tools erzeugen oft genau dieses Mittelmaß, weil sie statistisch wahrscheinliche Ergebnisse ausgeben und viele Nutzer die Prompts (zu) unpräzise formulieren. Für viele Einsatzzwecke mag das tatsächlich ausreichen, aber die Fähigkeit zum Erkennen des Unterschieds darf dabei nicht verloren gehen. Echte Einblicke, ein Versprecher oder ein wackliges Handy-Video zeigen Nähe und haben weiterhin einen Platz in der riesigen medialen Welt.
Künstliche Intelligenz sollte ein Werkzeug sein, das uns unbeliebte Aufgaben abnimmt oder neue kreative Möglichkeiten erschafft, die zuvor nicht umsetzbar waren. Der Beruf des Sprechers gehört hier meiner Meinung nach allerdings nicht dazu und ich finde es traurig, dass der Markt scheinbar die echten Emotionen immer weniger schätzt. Es geht also um mehr als besondere Inhalte, es geht auch um die Emotionen, die KI-Inhalte nur eingeschränkt erzeugen können.
Ehrlicherweise muss man an dieser Stelle aber auch andere Aspekte berücksichtigen: Viele Projekte wären ohne KI-Tools nie entstanden (da zu teuer oder aufwendig) und für beispielsweise eine einfache E-Learning Produktion akzeptieren viele Zuschauer mittlerweile KI-Stimmen, auch wenn dadurch Emotionen oder Persönlichkeit verloren gehen.
Dennoch bleibt es dabei: In vielen Fällen sind die Kosten wichtiger als echte Handarbeit und Kreativität – und das ist eine bewusste Entscheidung. Denn wenn wir zu etwas ja sagen, dann sagen wir auch zu etwas anderem nein. Diese Entwicklung betrachte ich mit Sorge. Für die Gesellschaft sehe ich daher eine aktive Medienbildung, die auch solche Aspekte berücksichtigt als wichtig an. Unternehmen sollten zudem klare Regeln aufstellen, die nicht nur finanzielle Argumente berücksichtigen, sondern auch ethische. Verantwortung spielt in der aktuellen Zeit eine wichtige Rolle.
Jeder kann plötzlich Hollywood.
KI-Tools geben vor allem den weniger Kreativen viele Möglichkeiten an die Hand, hochwertig aussehende Inhalte zu erstellen. Ich weiß, dieser Satz klingt provokativ, ist aber an dieser Stelle nicht wertend gemeint. Denn die meisten Nutzer sind keine Filmemacher, kennen sich mit Storytelling oder Dramaturgie nur am Rande aus und vergleichen ihre Arbeiten mit denen von anderen. KI-Tools erlauben es, genau diesen Stil mit wenigen Mausklicks nachzubilden, ohne die Mechanismen dahinter wirklich verstehen zu müssen. So gibt man sich am Ende aber mit dem Standardergebnis oft zufrieden und wirklich besondere und innovative Ideen bleiben im Verborgenen.
Eines sollte man an dieser Stelle aber nicht vergessen: Viele wirklich kreative Ideen scheitern an der Umsetzung. Genau hier schafft die KI nun eine Brücke und erlaubt auch sehr anspruchsvolle Werke zu erstellen. Sie ermöglicht also Produktionen, die ohne diese Technologie nie entstanden wären.
Eine KI kann aber nicht kreativ denken, sondern sie kombiniert vorhandene Daten zu etwas neuem. Kreativ waren (und sind) nur die echten Menschen, welche die Trainingsdaten für die Modelle erstellt haben. Dennoch sind ungewöhnliche Kombinationen oder neue Ansätze mit KI-Tools durchaus möglich, die durchaus hochwertig sind. Das aber setzt ein Verständnis von Storytelling sowie eine passgenaue Prompt-Eingabe voraus. Beides kann man als kreative Arbeit verstehen.
Ich sehe die Tools als wertvoll an, wenn man sie richtig nutzt. Obwohl ich das Wort „richtig“ gleich relativieren möchte. Es geht nicht darum, jemanden vorzuschreiben, wie eine Technologie genutzt werden sollte, sondern darum, bewusst damit umzugehen. Darunter verstehe ich den Einsatz als Werkzeug für die Anregung eigener Gedankengänge, die Erschaffung von wirklich passenden und sinnvollen Inhalten, aber auch die Einhaltung des nötigen Abstands. Denn: Nicht alles, was technisch geht, ist auch wirklich sinnvoll. Manches vielleicht sogar gefährlich.
Folgende Bildschirmaufnahme habe ich auf Instagram gemacht. Das Titelbild funktioniert ideal als „Scroll-Stopper“, aber die Frage nach der verantwortungsvollen Nutzung von KI generierten Bildern (gerade in diesem Zusammenhang) muss sich der Kanal stellen. Das sehen auch die Nutzer so.
ℹ️ Weitere Infos zu Deepfakes findest du hier oder in meinem Online-Kurs.

Möglichkeiten, die verleiten
Vor einigen Wochen habe ich eine Werbeanzeige für ein KI-Tool auf Instagram gesehen. Auf einem Hochzeitsfoto wurde mit Hilfe von KI mit nur einem Mausklick eine weitere Person eingefügt und perfekt an die Umgebung angepasst. Eine tolle Möglichkeit, die es so vor einigen Jahren noch nicht gab oder nur mit viel Handarbeit möglich war. Sicherlich ein brauchbares und technisch beeindruckendes Feature. Aber der Einsatzzweck ließ mich nachdenklich zurück. Sollten wir wirklich einen solchen emotionalen Moment verändern?
Sicherlich mag es auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, die fehlende Person dort einzufügen. Das Foto ist vollständig und es fällt nicht auf, da technisch sauber. Die Frage ist hier nur, wem es nicht auffällt. Jeder, der beim Fotoshooting dabei war, weiß es, alle anderen nicht. Wir verändern die Darstellung der Vergangenheit und verfolgen das Ziel von Perfektion. Das Leben ist aber nicht perfekt und sollte es auch nicht sein. Echte Momente und Emotionen sollten klar im Vordergrund stehen und nur weil wir uns „wie Gott“ fühlen, ist der Einsatz dieser Kraft nicht immer sinnvoll.
Das gleiche gilt auch für die Kreativität in der Videoproduktion. Wir bauen uns mit KI-Tools viele Momente, die nicht echt sind, keine Emotionen transportieren und nur auf Perfektion oder Reichweite ausgelegt sind. Schon heute fluten KI-Inhalte ohne großen Mehrwert oder mit Effekthascherei die sozialen Netzwerke. Soziale Netzwerke verlieren meiner Wahrnehmung nach zunehmend das Soziale und es geht immer öfter um eine perfekte (Selbst-) Darstellung oder eben Reichweite. Sowohl meine eigene Erfahrung als auch verschiedene Studien belegen einen stark angestiegenen Anteil an KI-Inhalten. Viele dieser oft als KI-Schrott bezeichneten Inhalte werden massenhaft produziert und haben einen geringen Anspruch. Ist es das, wo wir hinwollen? Auch mit all den Risiken, die durch gefährliche Deepfakes entstehen?
Was ist Kreativität?
Zurück zur Ausgangsfrage: Was ist denn Kreativität? Es ist meiner Meinung nach immer auch die emotionale Ausdruckskraft eines jeden Menschen. Jeder von uns verpackt durch Geschichten auch seine eigenen Emotionen, Ansichten oder Werte. Manch einem mag das besser gelingen, aber im Kern ist jeder auf seine Art und Weise kreativ. Kreative Ideen sind also auch das Gegenteil von Standard und weichen davon ab. Das kann mit KI gelingen, aber nur, wenn wir die Technik auch entsprechend nutzen.
Darin liegt die Stärke der Technologie. Kreativität ist also kein Auslaufmodell, sondern wichtiger denn je. Wir sollten es nicht Maschinen überlassen, uns aber helfen lassen, unsere Botschaften auszudrücken.
Wie ist deine Meinung zum Thema? Denkst du, dass „echte“ Kreativität ersetzbar wird?



